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Allgemein gültiger Diagnosestrategie-Plan
5 praxiserprobte Strategien, die sich in Werkstatt bewährt haben.
Ziel: schneller zum reproduzierbaren Symptom, weniger Teiletausch, mehr Trefferquote.

Strategie 1: Symptom-orientierte Fahrzeugannahme (Kundengespräch als Messinstrument)
Wenn die Annahme sauber ist, sparst Du Dir oft 30–60% Diagnosezeit. Viele Fehler sind bedingungenabhängig (Temperatur, Last, Feuchte, Fahrprofil, Bedienung). Diese Informationen bekommst Du nur vom Kunden.
Vorgehen (Step-by-Step)
Problem in Kundenwörtern aufnehmen
Nicht sofort technisch interpretieren. Erst: Was genau passiert?Rahmenbedingungen abklopfen (W-Fragen)
Wann tritt es auf (kalt/warm, morgens/abends)?
Wie oft (immer, sporadisch, nach Regen, nach Tankstopp)?
Unter welchen Lastzuständen (Vollgas, Teillast, Schubbetrieb)?
Geschwindigkeit / Drehzahl-Bereich?
Straßen-/Umgebungsbedingungen (Nässe, Kopfsteinpflaster, Kurven, Berg)?
Bedienung (Klima an/aus, Licht, Sitzheizung, Assistenzsystem aktiv)?
Reproduzierbarkeit bewerten
„Kannst Du es innerhalb von 10 Minuten zeigen?“
Wenn nein: Triggerliste erstellen (siehe Strategie 2/4).
Vorgeschichte & Eingriffe erfassen
Wurden Teile getauscht? Batterie ab? Steuergerät codiert? Unfall? Zubehör?
Wichtig: Nach Reparaturen entstehen häufig Kontakt-/Masse-/Steckerprobleme.
Diagnoseziel definieren
„Wir suchen nicht den Fehlercode, sondern die Ursache fürs Symptom.“
Beispiel
Kunde: „Ruckelt manchmal und Motorlampe kommt.“
Gute Annahme-Fragen:
Tritt es eher kalt auf? Nach dem Start?
Passiert es beim Beschleunigen aus niedriger Drehzahl oder konstant?
Mit Klima an häufiger?
Ergebnis: Kunde sagt: „Nach Regen, beim Beschleunigen ab 2.000 U/min, besonders im 3. Gang.“
Zündanlage/Feuchtigkeit, Ladedruckregelung, Stecker/Kabel oder Luftmassenmessung unter Last?

Strategie 2: Kundenfahrt (Kunde fährt, Du beobachtest und instrumentierst)
Die Kundenfahrt ist oft der schnellste Weg, um aus „sporadisch“ → reproduzierbar zu machen. Außerdem prüfst Du sofort, ob es Bedienungsfehler, Normverhalten oder wirklich ein Defekt ist.
Vorgehen (Step-by-Step)
Kunde fährt zuerst
Der Kunde kann das Problem meist besser „herbeiführen“ als der Techniker.Du definierst Mess-/Beobachtungspunkte
Geräusch: vorne/hinten, links/rechts, Frequenz abhängig von Geschwindigkeit oder Drehzahl?
Vibration: Lenkrad/Sitz/Boden?
Antriebsstrang: beim Lastwechsel?
Live-Daten logging vorbereiten
Fehlerspeicherstatus/Freeze-Frames im Blick
Parameter je nach System:
Motor: Luftmasse, Ladedruck Soll/Ist, Lambda, Zündwinkel, Zündaussetzer Zähler
Getriebe: Wandler, Schlupf, Gangwechselzeiten
Fahrwerk: Lenkwinkel, Querbeschleunigung, Raddrehzahlen
Reproduktionsbedingungen dokumentieren
Exakte Geschwindigkeit, Gang, Pedalstellung, Temperatur, Straße
Nach der Fahrt: „Symptom-Signatur“ formulieren
z.B. „Ruckeln nur bei 60–80 km/h, 3./4. Gang, 30–40% Last, warm, nach Regen.“
Beispiel
Problem: „Klackern beim Abbiegen“
Kunde fährt, Du hörst: Klackern nur bei Volleinschlag + Anfahren.
→ Symptom-Signatur passt zu Antriebswelle/Gelenk (klassisch), aber: Du prüfst zusätzlich Radhausverkleidung, Lenkanschlagpuffer, Bremssattelspiel.
Mit kurzer Live-Analyse (z.B. Raddrehzahlsignal unauffällig, keine ESP-Eingriffe) grenzt Du es ein.

Strategie 3: Systematische Vorprüfung (Basischecks, bevor Du Dich „verlierst“)
Viele moderne Fehler sind keine „Bauteildefekte“, sondern Versorgungs-, Masse-, Kommunikations- oder Sensorreferenzprobleme. Diese findest Du früh mit Basisprüfungen.
Vorgehen (Step-by-Step)
Batterie und Bordnetz prüfen
Ruhespannung, Startspannungseinbruch, Ladespannung, Ripple
Physik dahinter: Niedrige Spannung → Steuergeräte resetten, Sensoren liefern falsche Werte, CAN-Fehler.
Sichtprüfung mit Systemblick
Stecker verriegelt? Wassereintritt? Scheuerstellen? Nachrüstteile?
Massepunkte/Plusverteilung prüfen
Übergangswiderstand unter Last messen (Spannungsfallmessung!)
Sicherungen/Relais nicht nur „optisch“
Kontaktprobleme erkennt man unter Last besser als mit Ohmmeter.
Kommunikation/Netzwerk grob bewerten
Welche Steuergeräte fehlen? Sporadische U-Codes? Bus-Last?
Service-Infos/TSB/typische Schwachstellen
Wenn verfügbar: bekannte Ursachen sparen Zeit.
Beispiel
Symptom: „Assistenzsysteme fallen sporadisch aus, viele U-Codes“
Basischeck zeigt: Beim Start fällt Spannung kurz auf 8,5 V.
→ Unterspannung triggert Kommunikationsabbrüche (CAN/LIN), Steuergeräte booten neu.
Lösung: Batterie/Zustand/Startsystem prüfen statt „Steuergerät tauschen“.

Strategie 4: Datengetriebene Diagnose (Fehlercodes, Freeze-Frame, Live-Daten, Stellgliedtests)
Fehlercodes sind Wegweiser, keine Diagnose. Die Kunst ist, aus Code + Freeze-Frame + Live-Daten eine Hypothese zu formen und diese gezielt zu testen.
Vorgehen (Step-by-Step)
Alle Steuergeräte scannen (nicht nur Motor)
Querbezüge sind Gold: Motorfehler kann Folge eines Bordnetzthemas sein.
Fehlercode lesen + Umgebungsdaten (Freeze-Frame)
Drehzahl, Last, Temperatur, Geschwindigkeit, Batteriespannung
Priorisieren
Permanent vs sporadisch
„Primär“ (Ursache) vs „sekundär“ (Folgefehler)
Live-Daten: Soll/Ist-Vergleich
Nicht nur Werte anschauen, sondern dynamisch: beim Triggerzustand loggen.
Aktortests / Stellglieddiagnose
Ventile, Pumpen, Klappen, Lüfter, AGR, Drossel
Grenzwertlogik verstehen
Viele Codes entstehen erst, wenn eine Abweichung zeitlich und betragsmäßig den Schwellenwert übersteigt.
Beispiel (klassisch, sehr praxisnah)
DTC: P0299 „Ladedruck zu niedrig“ sporadisch
Freeze-Frame: 2.800 U/min, hohe Last, 3. Gang, Ladedruck Soll 2,2 bar abs, Ist 1,6 bar abs.
Hypothesen:
Undichtigkeit Druckstrecke
VTG/Westgate klemmt
Unterdruckversorgung schwach
Sensor driftet (MAP)
Tests:Live: Soll/Ist Ladedruck + Ansteuerung loggen
Unterdruck mit Handpumpe prüfen, Stellweg Wastegate/VTG kontrollieren
Smoke-Test Druckstrecke
Ergebnis oft: Riss im Ladeluftschlauch, nur unter Last öffnet er sich.

Strategie 5: Physikalische Eingrenzung (Signal-/Versorgungsanalyse mit Multimeter & Oszilloskop)
Wenn Du nicht weiterkommst oder der Fehler sporadisch ist, bringt Dich die Physik zum Ziel: Stimmt Versorgung? Stimmt Signalform? Stimmt Timing?
Gerade bei sporadischen Aussetzern sind Scope und Spannungsfallmessung unschlagbar.
Vorgehen (Step-by-Step)
Messstrategie festlegen
Was muss passieren, damit das System funktioniert?
Beispiel Motorlauf: Luft, Kraftstoff, Zündung, Kompression, Timing, Steuergeräteversorgung.
Versorgung zuerst (B+ / Masse / 5V Referenz)
Spannungsfall unter Last messen (nicht nur Widerstand im Stillstand).
Signalqualität prüfen
Sensoren: Hall/Induktiv, PWM, LIN, CAN
Achte auf: Rauschen, kurzer Aussetzer, Amplitude, Offset, intermittierende Aussetzer
Korrelation messen
Zwei oder mehr Signale gleichzeitig: z.B. Kurbelwelle vs Nockenwelle (Timing), Injektoransteuerung vs Raildruck.
Wackeltest mit Live-Messung
Kabelbaum bewegen, Stecker belasten, Temperatur (Warm/Kalt) provozieren.
Beispiel A: Sporadischer Motoraussetzer ohne eindeutigen DTC
Scope auf Kurbelwellensensor: gelegentliche Signalunterbrechung (kurzer Aussetzer) genau beim Ruck.
Gleichzeitig Batteriespannung stabil → Sensor/Kabel/Stecker im Fokus.
Ergebnis: Kabel scheuert am Halter, kurzer Aussetzer nur bei Motorbewegung.
Beispiel B: 5V-Referenz bricht sporadisch ein, mehrere Sensorcodes
Scope zeigt: 5V fällt kurz auf 2V, dann wieder normal.
Ursache oft: Sensor intern kurzzeitig kurzschlussartig, Wasser im Stecker, Kabel gequetscht.
Test: Sensoren nacheinander abstecken, 5V stabilisiert sich → Übeltäter gefunden.
Diagnosetechnik Richter GmbH Geschäftsführer Mike Richter
Spinnereistr. 212a, 09405 Zschopau
Deutschland
+49 (0) 173 5887265
fahrzeugdiagnose.richter@gmail.com
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