Erklärung: Eigendiagnose von Fahrzeugsystemen

Die Eigendiagnose moderner Fahrzeugsysteme ist ein zentrales Werkzeug, um Fehler systematisch und effizient einzugrenzen. In der heutigen Schulung wollen wir uns ansehen, wie diese Eigendiagnose funktioniert, warum sie so wichtig ist und wie sie praktisch angewendet wird.

DIAGNOSE

Mike Richter

12/22/20243 min lesen

Was ist Eigendiagnose?

Die Eigendiagnose ist die Fähigkeit eines elektronischen Systems, sich selbst zu überwachen. Jedes Steuergerät in einem Fahrzeug überprüft die Funktion seiner zugehörigen Sensoren und Aktoren. Störungen oder Abweichungen vom Normalbetrieb werden erkannt, gespeichert und oft an den Fahrer kommuniziert – z. B. durch eine Kontrollleuchte im Kombiinstrument.

Beispiel:

Ein Fahrzeug mit einem defekten Temperatursensor meldet dies durch die "Check Engine"-Leuchte. Gleichzeitig speichert das Motorsteuergerät den Fehler in seinem Fehlercode-Speicher. So kann der Werkstatt-Mitarbeiter später genau nachvollziehen, welcher Fehler aufgetreten ist.

Vorteile der Eigendiagnose

  • Fehlereingrenzung: Die Eigendiagnose hilft, den Fehlerbereich zu identifizieren. So wird vermieden, dass unnötige Teile getauscht werden.

  • Zeit- und Kostenersparnis: Durch gespeicherte Fehlercodes wird die Fehlersuche beschleunigt.

  • Erhöhte Sicherheit: Kritische Fehler werden dem Fahrer sofort signalisiert.

  • Notlaufprogramme: Bei ausgefallenen Sensoren können Ersatzwerte bereitgestellt werden, um den Fahrzeugbetrieb zu sichern.

Wie funktioniert die Eigendiagnose?

Die Eigendiagnose läuft in mehreren Schritten ab:

  1. Überprüfung der Sensoren und Aktoren: Das Steuergerät überwacht alle angeschlossenen Bauteile auf Plausibilität. Beispielsweise prüft das ABS-Steuergerät die Geschwindigkeitssignale der Raddrehzahlsensoren.

  2. Erkennung und Speicherung von Fehlern: Erkennt das Steuergerät einen Defekt, wird ein entsprechender Fehlercode generiert und im Fehler- oder Ereignisspeicher abgelegt. Dies geschieht auch bei kurzzeitigen Fehlern, wie z. B. einem Wackelkontakt.

  3. Fehlermanagement:

    • Signalisation: Eine Kontrollleuchte (z. B. ESP-Warnlampe) weist den Fahrer auf das Problem hin.

    • Notlauf: Bei schwerwiegenden Fehlern aktiviert das Steuergerät Ersatzwerte oder einen abgesicherten Betriebsmodus.

  4. Fehlerausgabe: Die Fehlercodes können mit einem Diagnosegerät ausgelesen werden. Im Gerät wird der Code in Klartext übersetzt, z. B. P0101 für "Luftmassenmesser-Signal unplausibel".

Praxisbeispiel: Defekter Luftmassenmesser

Schritt 1: Fehlererkennung

Der Luftmassenmesser liefert aufgrund eines Defekts falsche Werte. Das Motorsteuergerät erkennt, dass die Luftmasse nicht mit der Stellung der Drosselklappe übereinstimmt.

Schritt 2: Fehler speichern

Der Fehlercode P0101 wird im Speicher abgelegt. Gleichzeitig leuchtet die Motorkontrollleuchte auf.

Schritt 3: Notlauf aktivieren

Das Steuergerät ersetzt die Werte des Luftmassenmessers durch festgelegte Standardwerte, um den Fahrzeugbetrieb weiterhin zu ermöglichen.

Schritt 4: Diagnose

In der Werkstatt liest der Techniker den Fehlercode aus und erhält die Klartextmeldung: "Luftmassenmesser-Signal unplausibel". Er überprüft den Sensor und dessen Verkabelung, behebt das Problem und löscht den Fehlercode.

Die Eigendiagnose ist ein unverzichtbares Werkzeug in der Fahrzeugtechnik. Sie spart Zeit, senkt Kosten und erhöht die Sicherheit. Für uns als Mechatroniker bedeutet das, dass wir die Technik und die Diagnosegeräte verstehen müssen, um präzise arbeiten zu können. Fehlercodes sind wie die Sprache des Fahrzeugs – wenn wir sie lesen und interpretieren können, sprechen wir dieselbe Sprache wie das System.

Die Grenzen der Eigendiagnose

Die Eigendiagnose ist ein leistungsstarkes Tool, aber sie liefert lediglich Hinweise und keine fertigen Lösungen.

Ein Beispiel:

Beispiel: Fehlercode P0303 (Zylinder 3 Fehlzündung)

Ein Fahrzeug meldet den DTC P0303, der eine Fehlzündung auf Zylinder 3 anzeigt. Dies ist eine grobe Richtung, aber keine genaue Fehlerursache. Mögliche Ursachen könnten sein:

  • Zündungsproblem: Defekte Zündspule, Zündkerze oder Zündkabel.

  • Kraftstoffsystem: Verstopfte Einspritzdüse.

  • Mechanische Probleme: Kompressionsverlust durch verschlissene Kolbenringe oder defekte Ventile.

Hier zeigt sich die Grenze: Die Eigendiagnose erkennt Symptome, aber sie liefert keine klare Diagnose der zugrundeliegenden Ursache.

Systemkenntnisse als Schlüssel zur genauen Fehlersuche

An diesem Punkt ist es entscheidend, die Funktionsweise der beteiligten Systeme genau zu verstehen:

  1. Das Zündsystem: Wie erzeugt die Zündspule den Funken, und wie beeinflussen Temperatur und Last die Zündzeitpunkte?

  2. Das Einspritzsystem: Wie arbeiten die Einspritzdüsen und welche Rolle spielen Steuer- und Regelgrößen des Motorsteuergeräts?

  3. Die Mechanik des Motors: Wie hängen Kompression, Ventilsteuerung und Ansaugluftmenge zusammen?

Gezielte Analyse mit dem Oszilloskop

Mit einem Oszilloskop kannst Du Signale sichtbar machen und die Ursache des Problems eingrenzen. Bleiben wir beim Beispiel:

  1. Messung der Zündspannungen (Sekundärzündung)

    • Verbinde das Oszilloskop mit der Sekundärseite der Zündspule von Zylinder 3.

    • Analysiere das Zündspannungsbild: Ist der Zündfunken zu schwach, ist die Brenndauer zu kurz? Dies weist auf einen Fehler in der Zündspule oder Zündkerze oder Gemisch hin.

  2. Prüfung des Einspritzsignals

    • Messe das Steuersignal der Einspritzdüse: Gibt es Abweichungen in der Einspritzdauer oder im Einspritzzeitpunkt? Ein fehlendes oder fehlerhaftes Signal deutet auf ein Problem im Steuergerät oder der Verkabelung hin.

  3. Analyse der Kompression über Kurbelwellensignale

    • Nutze das Oszilloskop, um die Kurbelwellen- und Nockenwellensignale zu überprüfen. Auffälligkeiten in der Synchronisation könnten auf mechanische Probleme wie einen Zahnriemenversatz hinweisen.

    • Dynamische Kompressionsprüfung durchführen.

Ergebnis

Durch die Kombination von Systemwissen und Oszilloskop-Daten können Probleme präzise lokalisiert werden. Statt Vermutungen anzustellen, erhältst Du klare und objektive Hinweise auf die Ursache.

Kombination von Diagnosemethoden

Die Eigendiagnose bleibt ein unverzichtbares Werkzeug für eine erste Orientierung. Ihre Grenzen fordern jedoch, dass wir tiefer in die Systeme einsteigen. Mit fundiertem Wissen und dem gezielten Einsatz des Oszilloskops kannst Du die meisten Fehler effizient lokalisieren und beheben. So werden Deine Diagnosen nicht nur präziser, sondern auch schneller und professioneller.